Notfall — richtig helfen

von Helene

Der Hilfesuchende sagt aktiv, dass er Hilfe braucht

Es hat absolut keinen Sinn, jemanden mit guten Ratschlägen und Hilfe zu versorgen, wenn der- oder diejenige dazu nicht bereit ist, egal wie dringend die Hilfe auch aus dem subjektiven Empfinden heraus notwendig erscheinen mag. Es mag schlimm sein anzusehen, wie sich jemand systematisch kaputt macht, oder das durch einen anderen Menschen passiert. Wenn man so einer Situation gegenüber steht: Hilfsangebot deponieren und dazu stehen, sobald darauf zurückgegriffen wird – mehr ist nicht möglich.

Versuchst du, zu helfen, ohne dass jemand ganz klar den Hilfeauftrag erteilt, reibst du dich nur selbst auf und hast danach recht gruselige Geschichten zu erzählen, sprich Szeneklatsch – aber geholfen ist damit niemandem.

Gefahr für Leib und Leben ist gegeben

… beziehungsweise es sind Menschen involviert, in erster Linie Kinder, die nicht in der Lage sind, die Verantwortung für sich zu tragen.

Erfährst du, dass im Zuge einer destruktiven Beziehung Kinder misshandelt oder vernachlässigt werden, dann schalte bitte umgehend Polizei und das Jugendamt ein. Unmündige Kinder sind keine «Privatsache», sondern Menschen, die noch nicht für sich selbst sorgen können, Zuwendung und Fürsorge brauchen. Tun es die Eltern oder Erziehungsberechtigten nicht, dann muss eingegriffen werden.

Deine Hilfsbereitschaft

Kläre einmal mit dir selber ab, wie weit du bereit bzw. in der Lage bist, jemandem zu helfen.

Wenn du helfen möchtest, musst du dir erst einmal überlegen, ob du die Zeit dafür hast. Überlege, wie viel Zeit du zum «Trödeln» hast oder wo du Zeit einsparen kannst. Da ist dein Potential. Du kannst kurzfristig Zeit von deiner Freizeit abzweigen, aber nicht für lange, sonst brennst du aus; dein Energiepotential sinkt rapide. Du kannst niemandem sinnvoll helfen, wenn es dir selber schlecht geht. Du kannst dein Potential erhöhen, wenn du dich schulen lässt, z.B. in Kommunikation, Konfliktbewältigung usw. Es wird dir im täglichen Leben sehr viel weiter helfen, in persönlichen Krisen und natürlich beim Helfen.

Sinnvoll zu helfen bedeutet also:

  • Professionelle Hilfe holen, bzw. wissen, wer sind die Profis, die in dem Fall erforderlich sind
  • Eigene Kompetenz in Sachen Hilfe
  • Die eigenen Grenzen kennen, sich nicht selbst überfordern. Wenn Schwächen erkennbar sind, für Nachschulung sorgen, wenn du deine Kompetenz erhöhen möchtest.
  • Verkneife dir alle Vorwürfe, die helfen nur dir selbst, aber nicht dem Hilfesuchenden. Hätte er so agieren können, wie du es dir vorstellst, dann hätte er es getan, hat er aber nicht.

Wenn du für dich beschließt: Ich weiß, wo die Profis sind; wenn ich in so eine Situation komme, leite ich sofort weiter an sie, aber ich greife nichts an! Herzlichen Dank, mach das bitte! Den einzigen unverzeihlichen Fehler den du wirklich machen kannst: umdrehen, gehen und nichts tun!

Notfall-Checkliste

  • Besteht unmittelbar Gefahr durch Dritte für den Hilfesuchenden? Wird der Hilfesuchenden von jemandem verfolgt oder bedroht? Wie kann man den Hilfesuchenden aus diesem Bereich holen bzw. die Bedrohung abstellen oder fürs erste fernhalten?
  • Besteht akute körperliche Gefahr in Form von Erkrankung oder Verletzung? Hat der Hilfesuchende chronische Erkrankungen (z.B. Diabetes, Asthma) die in jedem Fall berücksichtigt werden müssen?
  • Wie weit ist der psychische Zustand der Person als «normal» (was ist in einer Krise schon normal seufz) zu bezeichnen? Ist Selbstmordgefahr oder extreme Aggression gegen andere vorhanden? Ist die Person so verwirrt, dass sie kaum noch ansprechbar ist? Sind eventuell Drogen oder Alkohol im Spiel?
  • Sind noch andere Personen von der Krise mit betroffen, Kinder, Haustiere?

Wenn nichts von alledem zutrifft: Glück gehabt!

Tief durchatmen, ruhig bleiben. Die Aufregung und/oder Verzweiflung eines Menschen kann ansteckend sein, die Ruhe eines Menschen umgekehrt aber genau so. Nutze diesen Effekt.

Bewegung baut Adrenalin (wird unter anderem bei Stress und Aufregung produziert) ab, das heißt eventuell ist ein kleiner Spaziergang sinnvoll, um den Kopf wieder etwas klarer zu bekommen.

Trifft einer oder mehrere der obigen Punkte zu:

  • Wo gibt es eine Wohnmöglichkeit, in der die Person(en) kurzfristig unterkommen kann?
  • Die Profis organisieren: Arzt, Apotheker, Polizei, Rechtsanwalt, Jugendamt, Psychologen, Psychiater, eventuell Krankenhaus, jemanden der die Haustiere in Sicherheit bringt bzw. versorgt, Freunde, die wissen wer die Profis sind.
  • Beweismittel sicherstellen, Gedächtnisprotokoll erstellen mit dem Hilfesuchenden, Zeugen, Beteiligte zumindest einmal notieren.

Der Hilfesuchende wird sich wahrscheinlich gegen einige dringend nötige Maßnahmen verwehren – weil ja alles nicht so schlimm ist. Dann erst mal für Sicherheit sorgen, schlafen lassen, am nächsten Tag geht alles etwas leichter.

So pervers es klingt, auch der vermeintliche Täter, so es einen gibt, muss in irgend einer Weise versorgt werden. Viele Frauen trennen sich bloß deshalb nicht von ihrem prügelnden Partner, weil sie sich für ihn verantwortlich fühlen. («Er braucht mich ja! Er hat ja nur mich!») Dieses Gefühl bringt Frauen, die es bereits bis ins Frauenhaus geschafft haben dazu, wieder zu ihm zurück zu kehren, wenn er wieder mal nüchtern und frisch geduscht angetanzt kommt.

In Deutschland ist seit dem Dezember 2001 das sog. Gewaltschutzgesetz (Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen, GewSchG) in Kraft. Danach kann das Opfer gerichtlich verlangen, dass der Täter die Wohnung des Opfers nicht mehr betreten darf. Bei einer gemeinsam genutzten Wohnung kann man außerdem verlangen, dass die Wohnung dem Opfer zur alleinigen Benutzung überlassen wird. Unter bestimmten Umständen (z.B. gemeinsames Eigentum oder gemeinsame Anmietung der Wohnung) wird dieses Recht nur befristet gewährt.

In Österreich gibt es das Wegweiserecht. Das heißt, im gemeinsamen Haushalt kann der Aggressor von der Polizei für eine begrenzte Zeit der Wohnung verwiesen werden, er darf sie in dieser Zeit nicht mehr betreten, egal wie auch immer die Besitzverhältnisse sind. Genaueres findest du dazu beim Sicherheitspolizeigesetz § 38a.

Damit es einem Menschen rundum gut geht, sind mehrere Komponenten erforderlich.

Die Säulen des Glücks: Kompetenz, Autonomie, Bezogenheit, Selbstachtung, Sicherheit

Kompetenz

Einfaches Beispiel: Fühlt sich jemand in seinem Job wohl, ist er der Meinung, einen guten Job zu machen und seine Mitarbeiter, Chefs usw. bestätigen das in irgend einer Form, dann ist das ein wesentlich Punkt für Wohlbefinden.

Ähnliches gilt z.B. auch für Hobbys oder solche Dinge wie SM 😉

Gibt es etwas beim Hilfesuchenden in diese Richtung? Wo kann das Wohlbefinden in Sachen Kompetenz gesteigert werden? Wo kann Kompetenz, die mangels Selbstachtung verschüttet ist, hervorgehoben werden und somit ein kleines Stück Wohlbefinden verschaffen? Beachte, schöne Muster zu stricken, Kinder unter widrigen Umständen großzuziehen, Blumen am Friedhof schön zu stecken usw. erfordern ein hohes Maß an Kompetenz. Also sag das auch, streiche es hervor.

Hat der Hilfesuchende einen Job? Gibt es eine Möglichkeit, da zu helfen? Das Selbstwertgefühl bei Arbeitslosen hebt sich manchmal sehr rasch, wenn sie kostenlose Tätigkeiten bei Hilfsorganisationen übernehmen, z.B. Rotes Kreuz. Manchmal ist es auch eine Einstiegshilfe für das Berufsleben.

Autonomie

Ein autonomer Mensch kann sich selbst versorgen bzw. selbstbestimmt leben.

Mit der Autonomie und Selbstbestimmtheit geht die Würde des Menschen Hand in Hand.

Wenn wir einmal einen kurzen Ausflug in SM machen, dann empfindet es ein SM’ler in einer Session als erotisch, wenn ihm die Würde genommen wird. Das heißt, er wird gedemütigt, darf nicht mehr für sich bestimmen, wird in seiner Freiheit auf verschiedenste Weise eingeschränkt. Nach der Session ist es unerlässlich, diese Würde wieder herzustellen, damit der Mensch im täglichen Leben, mit dem Partner, wieder klar kommt. Es ist das Chill Out jeder Session.

Jetzt stell dir einmal vor, dieser Prozess findet nicht statt. Und jetzt stell dir vor, es handelt sich um einen Menschen, der mit Demütigungen, Einschränkungen absolut nichts am Hut hat, sie ohne seinen ausdrücklichen Wunsch passiert sind, sie im realen Leben geschehen sind, er sich nicht dagegen wehren kann, er keine Werkzeuge hat, um sich zu wehren. Kannst du dir jetzt vorstellen, welche Auswirkungen das haben kann?

Das bedeutet, diesem Menschen kann nicht damit geholfen sein, dass du jetzt für ihn Entscheidungen übernimmst. D.h. im Notfall ja, aber nur dann, sonst nicht. Binde den Hilfesuchenden in jede erforderliche Entscheidung mit ein. «Ist das für dich in Ordnung? Fühlst du dich gut mit der Idee?» Der Hilfesuchende kann zwar möglicherweise seinen Verstand in der Krise nicht sinnvoll einsetzen, aber fühlen kann er ganz sicher noch. Und da setz an!

Wenn du Aktionen durchführst, mit denen sich der Hilfesuchende nicht identifizieren kann, wird er sie nur halbherzig durchziehen und sie spätestens, wenn er aus deinem Blickfeld ist, wieder fallen lassen. Oder noch schlimmer: Es gibt die schlechte Nachrede, auf die du sicher gerne verzichten kannst.

In Extremfällen ist es sogar möglich, dass der Hilfesuchende nicht mal krankenversichert ist, er sich selbst durch Nichtaktion aus dem Sozialsystem raus befördert hat.

Ein paar Tipps – Sozialversicherung:

  • Die Caritas meldet in Notfällen Personen als Angestellte an.
  • So mancher Steuerberater ist gar nicht so unglücklich über einen Abschreibposten.
  • Für Selbstständige, die in der Gewinnzone sind und kräftig Steuern zahlen, kann es sich als Nullsummenspiel – im positiven Sinne – herausstellen, jemanden als Teilzeitarbeitskraft anzustellen.
  • Ist die letzte angemeldete Tätigkeit nicht länger als drei Jahre her, dann ist ein Gespräch mit dem Arbeitsamt sinnvoll.
  • Nach einer Scheidung ist eine freiwillige Weiterversicherung möglich, die allerdings bezahlt werden muss.
  • Ist eine Frau mitversichert, Krankenscheine direkt vom Arbeitgeber einfordern, falls der Partner nicht dazu bereit ist.
  • Ist der Hilfesuchende autonom, dann sorge dafür, dass er diese Autonomie durch die Krisensituation nicht verliert. D.h. eventuell eine Krankmeldung beim Arbeitgeber organisieren. Bei Selbstständigen mit dem Hilfesuchenden checken, welche Aufträge stehen dringend an, wer kann einspringen, was lässt sich verschieben, wer muss informiert werden.
  • Dem Hilfesuchenden eventuell ein paar Tage ohne Arbeit verschaffen, damit er wieder etwas Boden unter den Füßen bekommt. Das trifft natürlich auch auf Kinder zu. Vielleicht gibt es ja jemanden, der die Kinder für ein paar Tage bei sich aufnimmt, damit die Mutter zur Ruhe kommen kann.
  • Bezogenheit. Es bedeutet, sich mit anderen Menschen verbunden fühlen. Üblicherweise haben Menschen Freunde, Familie oder Bekannte denen sie vertrauen, mit denen sie vertraut sind, in deren Gegenwart sie sich wohl fühlen. Sie haben Hobbys, treiben Sport oder nützen andere Gelegenheiten, um sich mit anderen Menschen über Themen, die sie interessieren, auszutauschen und sich damit verbunden zu fühlen.

Wenn du für den Hilfesuchenden da bist, dann ist das schon mal ein guter Anfang.

Das schlimmste Gefühl in der Krise ist, wenn man endlich soweit ist, «darüber zu reden», aber niemand da ist, der zuhört. Das gibt dem Verzweifelten dann meistens den letzten Rest, und er verliert die Kontrolle über sich selbst zur Gänze.

Kläre mit dem Hilfesuchenden, wo noch Freunde und Familie sind, die ihn nicht mit Vorwürfen und Besserwisserei drangsalieren, sondern ganz einfach nur für ihn da sind. Das hilft nicht nur dem Hilfesuchenden, sondern auch dir als Helfer. Verteile die Aufgaben; du schaffst nicht alles alleine. Du bist nicht Gott, bloß göttlich 😉

Selbstachtung

Wenn die beim Hilfesuchenden noch vorhanden ist, dann hast du Glück. Die Wahrscheinlichkeit ist aber eher gering, zumindest in der ersten Phase. Hast du das heulende Elend vor dir, dann kommt In-den-Arm-nehmen und Trösten als Erste Hilfe immer gut an. Du wirst es mit Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und der permanenten Frage nach dem «Warum» zu tun haben.

Häufig ist es so, dass die Sorgen und Nöte des Hilfesuchenden lange Zeit nicht ernst genommen wurden, seine Leistungen vom Partner bewusst oder unbewusst klein gemacht wurden, seine Gefühle manipuliert wurden, finanzielle oder psychische/sexuelle Abhängigkeit erzeugt wurde, der Hilfesuchende von seinem Freundeskreis, der Familie isoliert wurde.

Die Selbstachtung steigt nahezu von selbst wieder an, sobald der Mensch wieder Vertrauen in seine eigene Kompetenz gefunden hat, seine Autonomie wieder hergestellt ist, er wieder unter Menschen ist, die er mag und die ihn mögen. Klappt das nicht, dann ist Psychotherapie und eventuell eine kurzfristige medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka unerlässlich!

Sicherheit

Wie schon in der Checkliste angeführt, gibt es einige Punkte, die sichergestellt sein müssen, damit sich ein Mensch sicher fühlt: Sein Leben, sein Körper, seine Seele, Menschen für die er verantwortlich ist, dürfen nicht bedroht oder gefährdet sein. Wenn es irgendwo fehlt, ist es wichtig, das umgehend zu korrigieren.

Dabei ist noch eines zu beachten: Wenn sich jemand in einer Krisensituation befindet, dann ist er nicht sehr entscheidungsfreudig bzw. die vielen verschieden Möglichkeiten zur Lösung eines Problems verunsichern ihn. Hilf ihm, die für ihn im Augenblick passenden Möglichkeiten herauszufinden, mit denen er erst mal gut leben kann. Aber dränge ihn nicht dazu, alle möglichen anderen Möglichkeiten ins Auge zu fassen. In der Erstversorgung ist das nicht erforderlich. Das kann immer noch geschehen, wenn der Hilfesuchende wieder seine eigene Sicherheit gefunden hat, und voll und ganz die Verantwortung für sich selbst tragen kann.