SM und Psychotherapie — eine Studie

Von Dr. Gabriele Hoff

Sadomasochisten erleben nicht nur allgemein im Alltag, sondern auch speziell im Rahmen einer Psychotherapie oft schlechte Erfahrungen, wenn die Sprache auf ihre erotischen Vorlieben kommt. Eine amerikanische Studie der Autoren Dr. Gabriele Hoff und Dr. Richard A. Sprott hat diese Erfahrungen nun näher untersucht. Die Studie können Sie hier in Englisch und hier ins Deutsche übersetzt nachlesen.

Zum einen wurden amerikanische SM Paare in einem persönlichen Interview ausführlich befragt, und zum anderen fand unter deutschen Sadomasochisten eine Online-Umfrage statt. Die Ergebnisse dieser Befragungen wurden analysiert.

Die Ergebnisse der Studie

Dabei stellte es sich heraus, dass die meisten der Befragten bereits Erfahrungen mit einer Therapie gemacht hatten. Die Studie unterteilt die dabei gemachten Erfahrungen in insgesamt fünf unterschiedliche Kategorien.

a) Beendigung

In manchen Fällen führte es zu einem Abbruch der Therapie durch den Therapeuten oder Patienten, wenn die SM Vorliebe des Patienten zur Sprache kam.

b) Vorurteile

Sehr häufig begegneten die Teilnehmer auf Seiten der Therapeuten Vorurteilen. Diese beruhten oft auf mangelndem Wissen über BDSM und die Grundsätze von SSC (safe, sane, consensual – sicher, vernünftig und einvernehmlich). Nicht immer wurden die Vorurteile wörtlich geäuflert, aber sie waren für die Patienten immer spürbar. Das behinderte den Fortschritt der Therapie enorm.

c) Neutralität

Einige berichteten von „neutralen“ Erfahrungen, wo der Therapeut weder positiv, noch negativ auf besondere Weise darauf reagierte, wenn der Patient über seine SM Vorliebe sprach. Oft wurde dabei vom Therapeuten auch nach weiteren Informationen gefragt.

d) Sachkunde und Unterstützung

Weitaus häufiger, als man das sicher vermuten würde, trafen die Teilnehmer auf Therapeuten, die sich mit SM auskannten und/oder unterstützend/wohlwollend darauf reagierten, dass der Patient sich dazu bekannte. Dies könnte allerdings auch daran gelegen haben, dass sich manche Teilnehmer ihre Therapeuten auch bereits bewusst im Hinblick auf eine gewisse Nähe zu SM ausgesucht hatten. In jedem Fall hatte eine solche Haltung der Therapeuten regelmäflig eine sehr positive Auswirkung auf den Fortschritt der Therapie.

e) Verschweigen

Manchmal wurde das Thema SM während der Therapie vom Patienten nicht erwähnt, und der Therapie hatte auch keine Fragen zum Sexualleben. Ein solches Verschweigen empfanden manche der Befragten als nachteilig.

Tipps für Therapeuten

Es wurde für diese Studie auch danach gefragt, welche Ratschläge die Teilnehmer einem Therapeuten geben würden, der es mit einem Sadomasochisten zu tun hat. Diese lassen sich im Wesentlichen so zusammenfassen:

  1. Ein Therapeut sollte SM nicht automatisch als krankhaft/falsch/unmoralisch verurteilen.
  2. Er sollte die BDSM Sexualität zwar immer als möglichen Faktor für die Probleme ansehen, die zur Therapie geführt haben – aber nicht als zwingenden Faktor, und vor allem nicht als ausschliefllichen. M.a.W.: SM sollte im Rahmen der Therapie wie jede andere Eigenheit/Vorliebe des Patienten auch behandelt werden, die zwar kritisch untersucht werden muss, aber nicht automatisch zum Sündenbock werden darf.
  3. Er sollte zwischen gesunder SM Sexualität (SSC) und pathologischen Formen davon unterscheiden können. Dazu benötigt er ein gewisses Grundwissen über den erotischen Sadomasochismus.

Tipps für Sadomasochisten

Umgekehrt folgt daraus der Tipp an alle Sadomasochisten, bei der Auswahl ihrer Therapeuten genau hinzuschauen und abzuwägen. Es empfiehlt sich, bevor man eine Therapie beginnt, durch am besten vorher notierte spezielle Fragen herauszufinden, ob ein Therapeut a) Kenntnisse über die BDSM Erotik besitzt, und dieser b) offen gegenübersteht. Das kann notfalls auch telefonisch erfolgen. Falls man nicht in beiden Fällen aus dem Bauch heraus voll „ja“ sagen kann, sollte man sich vielleicht besser nach einem anderen Therapeuten umsehen.

Download der vollständigen Arbeit von Dr. Gabriele Hoff und Richard A. Sprott [PDF; 245 KB]

Englischsprachige Fassung der Studie unter dem Titel »Therapy Experiences of Clients with BDSM Sexualities: Listening to a Stigmatized Sexuality«